Frau Meier-Batrakow, Sie sind Kinderpsychologin, Autorin des Buches „3 Jahre ohne Schlaf?!“ und Schlafberaterin. Was hat Sie dazu bewogen, sich sowohl auf die Kinderpsychologie als auch auf die Schlafberatung zu spezialisieren, und was finden Sie am lohnendsten an dieser doppelten Fachrichtung?

Katharina Meier-Batrakow: Nach der Geburt meiner ersten Tochter bin ich selbst auf viele Fragen rund um den Baby- und Kleinkindschlaf gestoßen und habe viele verschiedene Aussagen so wie Tipps gelesen, nicht immer passten diese zusammen – auch nicht zu meinem bisherigen Wissen aus dem Studium. Zudem fehlten mir auch praktische Ansätze, was man denn konkret tun könnte bei Schlafproblemen, außer einem klassischen Schlaftraining. Beides (Kinderpsychologie und Schlafberatung) passt super zusammen, da man in der Schlafberatung das Wissen über die kindliche Entwicklung so wie die „Funktionsweise“ des Gehirns benötigt und auch gewisse Techniken, wie man ein gutes Gespräch mit den Eltern führen kann.

Können Sie erläutern wie sich Schlafmangel auf die psychische Gesundheit und Entwicklung von Kindern auswirkt?

Katharina Meier-Batrakow: Folgen von zu wenig Schlaf können physischer – und psychischer Natur sein, beispielsweise: Tagesmüdigkeit, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten und Leistungseinbußen. Im Baby- und Kleinkindalter auch vermehrtes Weinen, Quengeln und Gereiztheit, teilweise auch gesteigerter Bewegungsdrang. Insgesamt kann sich Schlafmangel auch auf das Sozialverhalten auswirken z.B. in vermehrter Aggression oder Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit.

Können auch psychologische Faktoren für Schlafprobleme bei Kindern verantwortlich sein? Stichwort: entspannte Eltern, entspanntes Kind?

Katharina Meier-Batrakow: Es gibt verschiedene Schlafstörungen wie beispielsweise Alpträume oder der sog. Nachtschreck, die mit nächtlichem Erwachen und Weinen einhergehen. Auch tauchen Problem mit dem Ein- und Weiterschlafen im Rahmen von frühkindlichen Regulationsstörungen auf z.B. exzessives Schreien in den ersten Lebensmonaten oder die Ein- und Durchschlafstörung. Des Weiteren können Schlafprobleme im Rahmen jeglicher psychischen Probleme/Erkrankungen oder einfach bei Sorgen und Stress auftreten. Der Satz entspannte Eltern, entspanntes Kind ist meiner Meinung nach absolut nichtzutreffend. Schlafprobleme ergeben sich wie die meisten anderen Probleme aus vielerlei Faktoren wie Genetik, Persönlichkeit, Umweltfaktoren so wie Erziehungsverhalten.

Und die Eltern? Gibt es Erkenntnisse, welche Auswirkungen die berühmten drei Jahre ohne Schlaf auf Erwachsene hat?

Katharina Meier-Batrakow: Schlafmangel grundsätzlich erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Parkinson oder Alzheimer so wie allgemein psychische Erkrankungen. Insbesondere Mütter, die meistens die nächtliche Betreuung übernehmen berichten nach den Jahren des zerstückelten Schlafes über länger anhaltende Schlafprobleme. Als müsse sich der Körper erst langsam wieder daran gewöhnen „durchzuschlafen“.

Welche verhaltenspsychologischen Strategien oder Techniken setzen Sie häufig ein, um Schlafprobleme bei Kindern zu behandeln und Familien hier zu helfen?

Katharina Meier-Batrakow: Als erstes ist mir ein ausführliches Gespräch wichtig, um zu verstehen was die Familie WIRKLICH belastet. Sind es tatsächlich Schlafprobleme auf Seiten des Kindes oder vielmehr die Fragen und/oder Sorgen etwas falsch zu machen oder bestimmte Ratschläge anwenden zu müssen. Auch nutze ich oft das Schlaftagebuch, um festzustellen wie die Abläufe in der Familie sind, wie viel das Kind tatsächlich schläft, wie häufig es aufwacht und wie lang das Einschlafen dauert. Hier können die Bezugspersonen auch vermerken, welche Strategien sie beim Einschlafen verwenden.

Was sind Ihre wichtigsten Ratschläge für neue Eltern, um gesunde Schlafgewohnheiten bei ihren Kindern von Anfang an zu fördern?

Katharina Meier-Batrakow: Ich denke es ist wichtig, sein Baby zunächst kennenzulernen und zu schauen, welche Bedürfnisse es hat, bevor man anfängt Ratschläge von außen zu befolgen. Grundsätzlich ist das auch das wichtigste, die Bedürfnisse des Babys auch beim Thema Schlaf zuverlässig, situationsangemessen und prompt zu erfüllen. Das kann man anfangs ruhig guten Gewissens machen ohne Angst, das Baby zu verwöhnen. Später geht es dann sicher auch darum, das Schlafen/Einschlafen mit Sicherheit und Entspannung zu verknüpfen, ohne Druck und Machtkämpfe. Und wenn es dann irgendwann doch mal an der ein oder anderen Stelle hakt, kann man immer noch gegenlenken. Und natürlich ist es auch wichtig sich beim Thema Schlaf über die Sicherheitsaspekte zu informieren, gerade wenn das Baby mit im Elternbett schlafen soll/wird.

Kinder haben ja bekanntermaßen eine große Fantasie. Wie sollten Eltern mit der Angst vor dem „Monster unter dem Bett“ oder Albträumen ihrer Kinder umgehen?“

Katharina Meier-Batrakow: Trennungsangst sowie die Entwicklung von magischem Denken à la »Ich sehe ein Monster!« sind für das Kleinkindalter typisch. Die Ängste sollten ernst genommen werden, denn die Kinder fühlen diese Angst wirklich und für sie sind diese Fantasiewesen in dem Moment real und die Angst dadurch auch. Hier kann man dann selbst bestenfalls ruhig bleiben und gleichzeitig dem Kind helfen, die Angst zu nehmen, z.B. in dem man zusammen nachschaut, ein Licht anlässt oder ein „Anti-Monster-Spray“ nutzt.

Und zuletzt: Gibt es gängige Mythen oder Missverständnisse über den Schlaf von Kindern, die Sie aus Ihrer Erfahrung als Kinderpsychologin und Kinderschlafberaterin klären möchten?

Katharina Meier-Batrakow: Ab 6 Monaten brauchen Kinder keine Nahrung mehr und sollten durchschlafen: Die Entwicklung des Durchschlafens ist hoch individuell. Selbstverständlich gibt es Babys, die bereits mit wenigen Monaten durchschlafen. In der Regel dauert es aber weder sechs Monate, noch ein Jahr, sondern mehrere JAHRE bis ein Kind zuverlässig die ganze Nacht durchschläft. Um genauer zu werden: Im Vorschulalter schlafen die meisten Kinder durch und wecken uns Eltern nur noch selten auf. Umgekehrt heißt das, dass es immer noch Kinder gibt, die mit drei, vier oder fünf Jahren regelmäßig nachts die elterliche Nähe oder Hilfe benötigen. Wie hoch die Unterschiede beim Durchschlafen sind, zeigt sich in verschiedenen Studienergebnissen: Laut MONDEY Studie, die 677 Kinder miteinander verglich, schliefen 80 Prozent der Kinder zwischen fünf und 18 Monaten sechs Stunden am Stück durch, das heißt aber auch, dass ein Fünftel aller Kinder mit eineinhalb Jahren noch keine sechs Stunden am Stück schlief. Weitere Untersuchungen zeigen, dass selbst mit 24 oder 36 Monaten noch 20 bis 40 Prozent der untersuchten Kinder mindestens einmal aufwachen.