Frau Lampé, können Sie die Bedeutung von ausreichendem Schlaf für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz erläutern?

Im Schlaf regenerieren wir. Dabei erholen wir uns nicht nur, denn Muskelgewebe wird repariert, Zellen werden erneuert. Schlaf hilft uns Emotionen zu regulieren und verbessert den Umgang mit Stress. Außerdem lernen wir im Schlaf, Gedächtnisinhalte und neue Informationen werden gefestigt. Durch einen gesenkten Blutdruck und eine verlangsamte Herzfrequenz wird das Herz-Kreislauf-System entlastet und trägt so zu einer Minderung entsprechender Krankheiten bei.
Fehlt Schlaf, geraten all diese Punkte und noch viele mehr in ein Ungleichgewicht, das uns krank und unproduktiv werden lassen kann.

Welche Auswirkungen hat Schlafmangel auf die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeiter?

Unausgeschlafene Mitarbeitende sind unkonzentrierter und damit anfälliger für Fehler. Diese können den Unternehmen nicht nur Ärger, sondern auch wirtschaftliche Konsequenzen einbrocken.
Dabei muss man zwischen zwei Fehlerarten unterscheiden. Solchen, die zum Beispiel physische Folgen haben können, wie Arbeitsunfälle, die passieren, weil der Mitarbeitende unaufmerksam war. Daneben sind Fehler zu betrachten, die eine Rufschädigung zur Folge haben können, wie das Versenden einer wichtigen Mail an die falsche Person. Oder Fehler, die vielleicht keine direkte Konsequenz haben, aber einfach nochmal erledigt/korrigiert werden müssen. Das ist schlichtweg ineffizient und auf Dauer teuer.

Wie können Arbeitgeber die Arbeitssituation so gestalten, dass sie den Schlaf der Mitarbeiter nicht negativ beeinflusst?

Die ausführliche Antwort der Frage würde den Rahmen sprengen, da unsere Arbeitswelt und das Anforderungsprofil/Tätigkeitsfelder viel zu divers sind, um über einen Kamm geschert zu werden. Vieles beginnt jedoch mit gesunder Führung und einem Wasserfallprinzip. Hier sollte es ein gesundes Verhältnis zwischen Empathie und Managemententscheidungen geben.
Ein Beispiel: Eine Managementtätigkeit, die über die Arbeitsweise einer Produktionstätigkeit in Schichtarbeit entscheidet.
Natürlich gibt es Tätigkeitsfelder, die erledigt werden müssen und unattraktiv erscheinen mögen. Es sollte aber jeder Führungskraft eine intrinsische Motivation sein, es (vielleicht gerade diesen) Mitarbeitenden so angenehm und gesundheitserhaltend zu gestalten, wie es nur geht. Im Fokus sollte als stehen eine Unternehmensphilosophie zu leben, die den Mitarbeitenden als wichtigste Ressource betrachtet und ohne die eine Unternehmenskultur, wie die deutsche, nicht aufrechtzuerhalten ist.

Können Sie Beispiele für erfolgreiche betriebliche Gesundheitsmanagementprogramme nennen, die sich auf die Schlafgesundheit der Mitarbeiter konzentriert haben?

Der BBGM hat vergangenes Jahr die dreijährige Kampagne der Telekom Tochter „T-Systems International GmbH“ zum Thema Schlaf mit dem BBGM Practice Benchmark Award ausgezeichnet. #ausruhezeichen

Gibt es bestimmte Branchen oder Berufe, in denen Schlafprobleme besonders häufig auftreten, und wie können diese speziellen Herausforderungen angegangen werden?

Sicherlich gibt es die, mir wäre es aber wichtiger, dass sich jede Führungskraft die Frage stellt, ob die eigene Belegschaft oder auch nur einzelne Teammitglieder davon betroffen sein könnten. Denn dann gilt es etwas zu ändern! Schlechter Schlaf kann viele Ursachen haben – für viele gibt es eine Lösung. Und wer jetzt sagt: „Ja gegen die schlechten Nächte mit Kindern kann ich als Führungskraft aber nichts machen?!“ Stimmt, aber Du kannst dem Teammitglied den Druck nehmen zu 120% funktionieren zu müssen, oder immer Mo-Fr von 8-17 Uhr erreichbar sein zu müssen oder oder oder…

Was wünschen Sie sich in Zukunft in Hinblick auf das Thema Gesundheitsmanagement und Schlafgesundheit? Braucht das Thema Ihrer Meinung nach noch mehr Sichtbarkeit?

Das Thema braucht definitiv mehr Aufmerksamkeit, genau wie das Thema gesunde Arbeit generell. Die deutsche Führungsriege ist zu stur, Deutschland lebt generell zu viel „Das haben wir schon immer so gemacht“.
Es ist Zeit etwas zu ändern. Das muss erstens über die Bildung laufen, gesunde Führung muss in ein Modul, wie „Grundlagen BWL I“. Dann braucht es zweitens mehr Anerkennung des Themas Betriebliches Gesundheitsmanagement als unternehmerisches Tool. So wie es momentan zu 95% gemacht wird, ist es ein wenig wie verbranntes Geld. Hier muss Aufklärung, Weiterbildung und ein bisschen Mut rein, vor allem aber Effizienz und Evidenz! Und drittens: Kommunikation! Wir haben vorherrschend drei völlig unterschiedliche Generationen am Arbeitsmarkt, die in Teilen die gleichen Werte, aber mit ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenarbeiten. Hier braucht es mehr Offenheit, Verletzlichkeit und den Willen etwas zu ändern.
Dann könnten wir langfristig auf einen ganz guten Weg geraten…